Was heißt denn hier Talent?
Die Protokollierung des Übungsfortschrittes ermöglicht eine objektive Einschätzung der Lern und Leistungsfähigkeit einzelner Kinder. Trainer haben so die Möglichkeit auf individuelle Stärken und Schwächen zu reagieren. Die Betrachtung der Entwicklung ist zudem ein wichtiges Mittel in der Talentauswahl. Ohne Frage sind schnell lernende Sportler, mit gutem technischem Verständnis besonders geeignet für den Leistungssport und das Eislaufen. Haben sie zusätzlich noch außergewöhnliche körperliche Voraussetzungen, gelten sie als talentiert (allgemeine Talente).
Schwerer einzuschätzen sind Sportler, die weniger durch allgemeine sportliche Voraussetzungen auffallen, sondern durch Talent für die Bewegung auf dem Eis, die zum Beispiel „Gefühl“ für den Abdruck und das Spiel mit den Kanten zeigen. Hier ist das Trainerauge gefragt (spezielle Talente).
Als Grundlegend wichtige Leistungsvoraussetzung gelten die koordinativen Fähigkeiten. Kinder mit gutem Gleichgewichtssinn und sehr guter einbeiniger Kontrolle werden sich deutlich leichter tun, erste Schritte auf dem Eis zu machen. Sie werden später mehr Aufmerksamkeit auf die technisch korrekte Ausführung richten können.
Förderliche Charaktereigenschaften sind: Mut, Neugier, keine Angst vor Niederlagen und die Fähigkeit zur Selbstregulation. Kinder mit diesen Eigenschaften werden gerne Neues ausprobieren, sich mit anderen messen und Spaß an Herausforderungen haben. Die Nutzung der induktiven Lernmethode ermöglicht es, sportliche Intelligenz, d.h. die Kompetenz bei der Lösung von sportlichen Aufgaben zu beurteilen.
Eisschnelllaufen und Short Track bieten durch die Vielfalt der Strecken und Wettkampfformen diverse Anforderungsprofile. Für den Einstieg in die Sportart sind abseits der guten koordinativen Fähigkeiten und allgemeiner körperlicher Fitness keine spezifischen körperlichen Voraussetzungen notwendig.
Bei der Talentbeurteilung ist immer die Relativität dieser Einschätzung zu beachten. Nur im Vergleich mit den besten Deutschlands (DESG - Talente Treff) bzw. gar mit den Besten der Welt zeigt sich, wer tatsächlich als talentiert oder besonders talentiert einzuschätzen ist. Zu berücksichtigen sind auch das biologische Alter und das bisherige Training (Trainingsalter).
Mit der Zunahme konkurrierender organisierter Freizeitangebote verschiebt sich der Erstkontakt mit potentiellen Talenten immer weiter in jüngere Altersgruppen. Vereinsangebote für Kindergärten und Erstklässler sind keine Seltenheit. Das Angebot eines hochwertigen Ausbildungsprogramms im Rahmen der DESG-Eislaufschule kann hier ein Vorteil im „Wettbewerb“ um sportinteressierte Kinder sein.
Unsere Prinzipien
Unter Talententwicklung versteht man sowohl die gezielte Auswahl von talentierten Kindern und Jugendlichen als auch ihre optimale Förderung durch systematisches Training in einem geeigneten Umfeld bis zur Spitze. Der Prozess es langfristigen Leistungsaufbaus untergliedert sich in vier aufeinander aufbauende Ausbildungsetappen, denen spezifische Aufgaben und Inhalte zugeordnet sind (Abb.1).
Die Etappenziele sind an den Entwicklungsphasen der Kinder und Jugendlichen mit ihren Besonderheiten ausgerichtet. Der Spaß und die Freude am Üben stehen in der allgemeinen Grundausbildung (AGA) und im Grundlagentraining (GLT) im Vordergrund. Im Aufbau und Anschlusstraining (ABT und AST) werden die Voraussetzungen für den Einstieg in das Hochleistungstraining (HLT) geschaffen.
Auswahlkriterien, beispielsweise für Kadernominierungen, gehen über die isolierte Betrachtung des aktuellen Leistungsstands in Form von Wettkampfergebnissen hinaus. Das Talent oder Potenzial eines Nachwuchsathleten wird durch die ganzheitliche Betrachtung aller Leistungsfaktoren, einem Komplex von Leistungsvoraussetzungen beurteilt. Dazu zählen technisch-koordinative, konditionelle und psychische sowie eher nicht trainierbare die Person oder das Umfeld betreffende Leistungsvoraussetzungen. Als Talentmerkmal eignen sich Leistungsvoraussetzungen dann, wenn sie sich grundlegend auf das Niveau der späteren (Erwachsenen)Leistung auswirken oder die Entwicklung dieser begünstigen. Im Umkehrschluss bedeutet die mangelnde Ausprägung dieses Merkmals, dass das Erreichen von Spitzenleistungen höchst unwahrscheinlich und eine verzögerte Entwicklung nicht aufzuholen ist.
Es existiert ein großer Zusammenhang zwischen der körperlichen und der Leistungsentwicklung. Je größer und biologisch reifer ein Athlet ist, desto größere Vorteile bringt er für eine Vielzahl von motorischen Aufgaben mit. Da jedoch die körperliche Entwicklung individuell sehr unterschiedliche Verläufe nimmt und sehr stark durch den Zeitpunkt der Pubertät, dem größten Wachstumsschub, geprägt ist, sind einmalige Leistungsdiagnosen nicht aussagekräftig. Den größten Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit übt Training aus, d.h. ein Athlet mit vielen absolvierten Trainingsstunden bzw. hochwertiger Trainingsqualität wird mit großer Wahrscheinlichkeit in der Lage sein, kurzfristig höhere Leistungen zu erzielen ohne mehr Potenzial für Spitzenleistungen zu besitzen.
Die Ausprägung der verschiedenen Leistungsvoraussetzungen wird in ihrer Entwicklung und unter Berücksichtigung des jeweiligen biologischen Alters, des Trainingsalters und des kalendarischen Alters eingeschätzt und bei Kadernominierungen berücksichtigt. Eine kontinuierliche Trainings und Leistungsdatendokumentation sowie die Erfassung ausgewählter konstitutioneller Merkmale ist die zwingende Voraussetzung dafür.
Um die Prinzipien der Talententwicklung inhaltlich zur Wirkung zu bringen, müssen sich unsere altersgerechten Wettkämpfe und alternativen Auswahlkriterien weiter etablieren. Technikbewertungen, Athletiktests oder duale Wettkämpfe sollen deutschlandweit einheitlich durchgeführt und von allen mitgetragen werden. Zur Entwicklung eines Talents gehört die gezielte Auswahl und eine optimale Förderung durch geeignete Trainingsmethodik und Umfeldbedingungen.
Analysen belegen, dass Wettkampferfolge im Nachwuchs oft keine große Aussage über Spitzenleistungen in der Elite geben. Dennoch basiert die Talentauswahl bisher überwiegend auf Grundlage von Wettkampfergebnissen. Das Talent eines Nachwuchsathleten wird nicht nur durch einen einzigen Leistungsfaktor, sondern durch die ganzheitliche Betrachtung aller Voraussetzungen be urteilt. Dazu gehören technische, allgemeinathletische und psychische Faktoren. Die biologische Reife und die Anzahl an Trainingsstunden haben ebenfalls einen großen Einfluss auf die aktuelle Leistungsfähigkeit. Die körperliche Entwicklung ist individuell sehr unterschiedlich. Ein frühentwickelter Nachwuchsathlet mit einem hohen absolvierten Trainingspensum ist in der Lage, kurzfristig höhere Leistungen zu bringen, ohne dabei mehr Potenzial für Spitzenleistungen zu haben. Viele Talentmerkmale wirken sich erst im höheren Alter auf die Wettkampfleistung aus. Koordinative Schwächen lassen sich beispielsweise im Jugendalter noch durch gute Kraft und Ausdauerfähigkeiten ausgleichen. Im Spitzenbereich kann man technische Mängel jedoch nur noch schwer verbessern
Erst die Betrachtung aller Teilbereiche ermöglicht eine Abschätzung des Potenzials für Weltspitzenleistungen. Eine einmalige Leistungsdiagnose als Auswahlkriterium ist dabei aber nicht aussagekräftig. Entscheidend ist die Betrachtung der Entwicklung. Welche Voraussetzungen bringt der Sportler mit und welche Potenziale hat er noch? Die Dokumentation von Trainings und Leistungsdaten sowie die Erfassung körperbaulicher Merkmale ist eine zwingende Voraussetzung für diese Betrachtung.
All diese Erkenntnisse sind Verbänden und Trainern seit Jahren bekannt, dennoch gibt es noch immer das vielzitierte Umsetzungsdefizit. Um die Vorgaben umzusetzen, bedarf es einer klaren Festlegung von Ausbildungszielen und Anforderungsprofilen, die sich inhaltlich in einer altersgerechten Wettkampfstruktur und in Kaderkriterien widerspiegeln. Technikbewertungen, Athletiktests oder duale Wettkämpfe sind dafür gute Beispiele. Damit diese Strukturen funktionieren und den angestrebten Erfolg bringen, müssen sie deutschlandweit einheitlich sein und von allen mitgetragen werden, besonders bei einem kleinen Verband wie der DESG.
[Quelle: Wulff, J., Altmann, K., Walter, N., Fudel, R. & Hoffmann, A. (2016). Situationsanalyse der Nachwuchsentwicklung im DSV, DBV und der DESG. (Unveröffentlichter Bericht) Leipzig: IAT]
Unsere Maßnahmen
Talentgewinnung
- Kindergartenkurse
- Sichtung im allgemeinen Sportunterricht
- Vereinsübergreifende Talentprogramme (Regionalprogramme)
- Schulsportprogramme Eislaufen
- Schulsportfeste
- Schnupperkurse Eislaufen/Probetraining  Eislaufkurse
- Inlinekurse
- Öffentliches Eislaufen
- Kooperation mit anderen Sportarten
- Regionale Präsenz des Vereins
Talentauswahl
Auf der Vereinsebene steht die Talentauswahl im Sinne eines Aussortierens nicht im Vordergrund. Das „Aussieben“ von weniger talentierten Kindern erfolgt später (Aufnahme Sportschule oder Partnerschule des Sports, Kaderkriterien und Ähnliches). Zunächst sollte jedem sportinteressierten Kind die Möglichkeit gegeben werden, Eislaufen zu lernen und an dem Vereinsleben teilzuhaben. Mit der Schaffung von Breitensportgruppen kann weniger begabten Kindern die Möglichkeit zur Teilhabe gegeben werden, wenn offensichtlich ist, dass sie keine leistungssportlichen Ambitionen verfolgen. Die unten beschriebenen Maßnahmen der „Talentförderung“ gelten sowohl für die besseren Sportler als auch für die Gesamtheit der Trainingsgruppe. Das Ziel ist, besondere Talente zu fördern und zu fordern, ohne dabei die sportliche Entwicklung aller Kinder aus dem Auge zu verlieren.
Talentförderung
- Technische und koordinative Vergleiche mit Sportlern auf gleichem oder höherem Niveau ermöglichen
- Stetiges Fordern im Training durch kreative und abwechslungsreiche Spiel und Übungsformen
- Nur in Ausnahmefällen Aufstieg in höhere Trainingsgruppe (unter Berücksichtigung der biologischen Reife und des geplanten langfristigen Leistungsaufbaus: gesteigerte koordinative und technische Anforderungen: Ja – vorweggenommene konditionelle Elemente: Nein)
- Keine Ausrichtung des Trainings an untalentierten Kindern bzw. Kindern ohne Leistungsambitionen („Freizeitgruppe“ bzw. Breitensportgruppe bilden)
- Trotz augenscheinlicher Begabung für die Zielsportart eine breite sportliche Ausbildung ermöglichen (Spielsportarten, Zweikampf, Leichtathletik, Schwimmen, alternative Wintersportarten)
- Einbeziehung des familiären Umfelds